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Abschlussbericht von Sven Gilian, August 2014

Uganda ist nicht Deutschland

Immaculete ist 14 Jahre alt. Vor 3 Jahren starb ihre Mutter, ihr Vater ist unbekannt. Seit 5 Jahren lebt sie in unserem Kinderheim, dem „Hostel“. Eines Tages sagte sie zu mir: “Akiiki, do you want to see my home?” “Yes, of course“, sagte ich und los ging‘s:

Nach zwanzig minütiger Boda-Boda-Fahrt halten wir mitten im Nirgendwo an und steigen vom Motorrad. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter. Auf einem schmalen Trampelpfad schlängeln wir uns durch die hügelige Regenwaldlandschaft Ugandas. Der Busch wird
zunehmend dichter. Eine Machete wäre jetzt nicht schlecht, denke ich mir. Links und rechts eine Wand aus Pflanzen, einzig die Eukalyptus- und Mangobäume überragen das haushohe Elefantengras und taugen als einziges Orientierungsmittel.

Es ist fast Mittag und die Äquatorsonne steigt und drückt unerbittlich. Bei 100 Prozent Luftfeuchte und 30 Grad im
Schatten fühle ich mich wie in Omas Waschküche. Ich schwitze aus jeder Pore. Der Boden ist weich und tief, denn am Morgen hatte es noch wie aus Kübeln geschüttet. Mit jedem Schritt versinke ich tiefer im Boden. Die Schlammschicht unter meinen Schuhen wird dicker, die Beine werden schwerer. Jetzt wird mir klar, warum der Boda-Fahrer uns nicht weiter fahren wollte.

Der Schweiß rinnt. Das Laufen fällt schwer. Doch ich versuche mit der 14-Jährigen Immaculete mitzuhalten, die mich gutgelaunt und fröhlich trällernd durch den Busch navigiert und auch noch darauf besteht, meinen Rucksack zu tragen. Langsam lichtet sich das Dickicht und man sieht wieder vereinzelt eine Lehmhütte und ein paar Menschen.

Eine Frau kreuzt unseren Weg. Sie hat eine Harke in der linken, einen Jutesack in der rechten Hand, das Kind auf dem Rücken und Feuerholz auf dem Kopf und trotzdem hat sie noch die Kraft, mich mit einem breiten Lächeln und dem landestypischen Kniefall zu begrüßen. Die
beiden kennen sich gut und kommen nicht umhin, ein paar Späßchen über den „Muzungu“ zu machen, dem die Erschöpfung deutlich anzusehen ist.

Die Zähigkeit der Menschen hier ist wirklich beeindruckend. Wahnsinn, denke ich mir. Alle, die hier wohnen laufen solche Strecken mehrmals am Tag. Ob zur Schule, zum Markt, zum Arzt oder auf die Felder, vom Kleinkind bis zum Greis, wer laufen kann, der läuft.

An einer Ansammlung kleiner Lehmhütten endet der Weg. "This is my home," sagt Immaculete und führt mich aufs Grundstück. Drei 25m² kleine Hütten, Dusche, Toilette und Küche alles unter freiem Himmel und ein kunstvoll gestaltetes Grab direkt neben der Bananen- und Casavaplantage. "And this is my mom," sagt sie.

Hier leben Immaculetes Großeltern, Onkel, Tanten und Geschwister, insgesamt 9 Menschen.

Der Platz zwischen den Häusern ist der Mittelpunkt der Wohngemeinschaft. Dampf steht über dem Grundstück und es duftet nach gekochten Bananen und Bohnen. Immaculetes Großmutter kocht Matoke zum Mittag. Während die Bananen langsam garen, besuchen wir ihren Großvater, der geschälte Bananen in einem Erdloch gären lässt, die er später destilliert und den hochprozentigen Schnaps im Dorf verkauft. Dann gibt es Mittagessen und alle kümmern sich rührend um mich und schauen, dass es mir an nichts mangelt. Es ist nicht mein erster Besuch in einem solchen Dorf, aber die Gastfreundschaft der Menschen beeindruckt mich jedes Mal wieder aufs Neue.

 

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Links oben: Kinder beim Frühstück, rechts oben: neue Uniformen, links unten: Medikamentenausgabe, rechts unten: neue Matratzen

Rückblick: Nach 5 Jahren der Vorbereitung und Suche nach geeigneten Vereinen und Projekten in Afrika war es endlich soweit: Aufbruch nach Uganda. Ich hatte zig Bücher über Entwicklungshilfe gelesen, jeden Bericht, jede Dokumentation, die mir in die Hände fiel, saugte ich begierig auf. Ich fühlte mich gut vorbereitet und war bereit die Welt zu verändern.

Bei meiner Ankunft brauchten meine "deutschen Augen" ein wenig Zeit, um die wahre Schönheit zu erkennen, die von Land und Leuten ausgeht. Uganda ist nicht Deutschland - Gottseidank!

Die Atmosphäre im Hostel ist familiär. Was nicht heißt, dass es keine Reiberein gibt. Aber bei fast 80 Menschen, die zusammen unter einem Dach wohnen, ist das ganz normal. Die Mitarbeiter sind in der Regel sehr motiviert. Allen voran die Köchinnen arbeiten härter als es den meisten Europäern zuzumuten wäre. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Kinder. 32 Jungs und 32 Mädchen, denen es im Hostel sehr gut geht.

Einzig eine vielseitigere Ernährung und eine abwechslungsreichere Freizeitgestaltung (Gruppenausflüge, Wettbewerbe, Sportfeste usw.) sind meiner Meinung nach Themen, denen man sich in Zukunft widmen sollte.

Eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen war sehr leicht... nachdem ich alle mit Namen kannte. Bei 64 Kindern dauert das natürlich seine Zeit. Vor allem, da alle die gleiche Frisur haben. Aber danach entwickelte sich schnell eine echte Freundschaft zwischen mir und den Kiddies. Und zurück in Deutschland vermisse ich sie, als wären es meine eigenen Kinder.

Die Vorstellung, die viele beim Hören des Wortes Entwicklungshilfe haben, ist eine von der Medienwelt erschaffene Abstrusität und der Wirklichkeit so nahe wie Deutschland zu Uganda. Man spendet ein wenig Geld und erhofft sich nachhaltige Verbesserung. Aber der finanzielle Aufwand zur reinen Aufrechterhaltung des Projekts verschlingt schon große Summen. Verpflegung, Schule, Schuluniformen, medizinische Versorgung, Reparaturen etc. Neuerungen müssen deshalb gründlich geplant und ihr Nutzen sorgfältig abgewogen werden.

Doch auch trotz guter Planung und aller Anstrengungen greifen manche Projekte, andere laufen ins Leere. Das sind Lernprozesse, die es immer wieder zu bewältigen gilt. Mit einem kleinen finanziellen Aufwand kann dennoch jeder von uns das Projekt am Laufen halten.
Zum Abschluss noch ein kurzer Überblick über das, was wir während meines Aufenthalts erreicht haben:

Instandhaltung, Renovierung der Gebäude
Renovierung von Gästeräumen; Reparaturen an Dächern, Dachrinnen bzw. Einläufen zum Wassertank; Instandhaltung Solar(Batterie) und Stromnetz; Ausbau Foodstore & Workshop

Grundstücksplanung,-gestaltung-,-pflege
Anfertigung eines detaillierten Grundstücksplans; Anpflanzen von Bäumen, Hecken, Präventivmaßnahmen gegen Erderosion; Planung und Umsetzung für Urbarmachung neuer Anbauflächen (Bananen- und Kaffeeplantage, Kartoffeln, Mais, Bohnen)

Sicherheit
Planung und Installation von Securitylights am Haupteingang; Renovierung der Türen, Einbau von Zylinderschlössern

Neuanschaffungen
Küchenutensilien, Mülleimer, Arbeits- und Reinigungswerkzeug, Lern- und Spielmaterialien für Kinder, Unterhaltungsmedien

Mitarbeiter
Vermittlung zwischen Verein, Mitarbeitern und Leiter des Hostels (z.B. Lohnerhöhung, Urlaubspläne, Zuständigkeitsbereiche); regelmäßige Durchführung von Meetings; Einstellung neuer Mitarbeiter (Matron, Nachtwächter, Lehrer); Hilfestellung bei persönlichen Problemen der Mitarbeiter; Vermittlung bei internen Streitfragen

Hygiene
Anschaffung von Mülleimern; Erstellen von Reinigungsplänen; Schulung der Kinder und Mitarbeiter im Umgang mit Müll/Essensresten; Schädlingsbekämpfung (Ratten, Fledermäuse, Kakerlaken, Ameisen) und nachhaltige Sicherung der Wohnräume und des Foodstores gegen Schädlinge

Kinderbetreuung
Besuche zum Wohnort der Kinder, Gespräche mit Erziehungsberechtigten der Kinder; Besuche in Schulen, Gespräche mit Lehrern; Freizeitgestaltung: Gruppenausflüge mit den Kindern; alltägliche Nachmittags- und Abendgestaltung; Kulturaustausch; Kirchengänge mit den Kindern; Betreuung und Transport in Krankheitsfällen; Teaching (Schule, Hygiene, Umweltbewusstsein, Soziales Verhalten)

Es gibt auch in Zukunft noch viele Möglichkeiten der Verbesserung. Packen wir’s an!

Im Namen aller Hostel-Kinder und Mitarbeiter bedanke ich mich für ihre Unterstützung.

Sven Gilian, August 2014.

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