Reisebericht von Robin Böhm, 2010
Nachdem ich im Jahr 2007 schon ein paar Monate im Hostel in Kagadi verbracht hatte, konnte ich es kaum erwarten, die Kinder, die Angestellten, den Ort, ja, das ganze Land endlich wiederzusehen.
Zusammen mit meiner Kommilitonin Geeske Kroll brach ich Ende August voller Vorfreude, aber auch voller Fragen auf. Was hat sich seit 2007 verändert? Erkenne ich das Hostel noch wieder? Erkenne ich die Kinder noch wieder? Erkennen die Kinder mich noch wieder? Zumindest auf die letzte Frage erhielt ich schon bei der Ankunft im Hostel eine eindeutige und erfreuliche Antwort: strahlende Gesichter, Jubel, Trubel, Wiedersehensfreude.
Nach über 30 Stunden Flug und Fahrt fand ich mich wieder in einem fernen Land auf einem fremden Kontinent und fühlte mich doch sofort wieder zu Hause. Die ansteckende gute Laune der Kinder und ihre positive Lebenseinstellung hatten mich abermals schnell in ihren Bann gezogen. Diese Kinder gehen aufrecht durchs Leben, mit einem Lächeln auf den Lippen, obwohl das Schicksal, dass sie auf dem Rücken tragen, viele in die Knie zwingen würde.
Alles beim Alten, alles wie gehabt also im Hostel? Nein, es hat sich einiges getan! Das fängt schon beim neuen Schlafsaalgebäude an, das in drei Räumen 20 weiteren Kindern und der Betreuerin Platz bietet. Direkt hinter dem Schlafsaal wurden zwei kleinere Gebäude mit Latrinen und ein Wassertank zum Auffangen von Regenwasser errichtet. Ein weiterer großer Wassertank steht kurz vor der Vollendung, um so auch in Trockenperioden die Wasserversorgung der nun 64 Kinder im Hostel sicherzustellen.
Für die Betreuung der Kinder ist seit Anfang diesen Jahres Rosaline, eine ehemalige Lehrerin, zuständig. Sie leistet meiner Meinung nach hervorragende Arbeit, ist sehr engagiert und hat durch ihre ruhige und herzliche Art schnell nicht nur unser Vertrauen, sondern, was viel wichtiger ist, auch das Vertrauen der Kinder erlangt. Hervorzuheben ist auch, dass Rosaline sich stark bemüht, den Kindern bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten ein gutes Vorbild zu sein und sie in die Arbeit in den Gärten des Hostels mit einzubeziehen. In einem Land, in dem mehr als 80 % der Bevölkerung direkt von Landwirtschaft leben, ist das Anleiten der Kinder in Dingen wie Säen, Unkraut jäten und Umgraben ein essentieller Bestandteil einer guten Erziehung.
Wir Besucher beschäftigten uns viel mit den Kindern in deren Freizeit. Neben Fußballspielen, Basteln und dem gemeinsamen Betrachten von Büchern lag ein Schwerpunkt auf dem kreativen Umgang mit Farben. Dank einigen von der AWO in Zell gespendeten Materialien (Buntstiften, Wachsmalkreiden, Zeichenpapier, etc.) ließ sich schnell die Begeisterung der Kinder für Malen und Zeichnen wecken. Besonders interessiert waren viele am Zeichnen von Porträts, so dass sie sich im Wechsel stundenlang gegenseitig Modell standen. Außerdem baten wir die Kinder an einem Wochenende, Bilder zum Thema Mein Lieblingstier und ich zu malen. Im Rahmen einer Ausstellung ihrer Werke stimmten die Kinder dann anschließend selbst über die schönsten Bilder ab.
Für mich persönlich waren die 7 Wochen im Hostel ungeheuer wertvoll, weil voller Momente, die kein Wort beschreiben und kein Foto abbilden kann, sondern die nur im Herzen festgehalten werden können. Erfahrungen, die ich 2007 in Kagadi gemacht hatte, wurden vertieft, Fragen und Gedanken wieder neu aufgewühlt. Braucht man ein schnelles Auto, mit dem man rasant auf der Überholspur entlang brausen kann, oder ist es nicht viel wichtiger, Träume und Visionen zu haben, die man halt manchmal nur Schritt für Schritt erreichen kann? Was bringen teure Urlaubsreisen und exquisite Erlebnisse, wenn es niemanden gibt, mit dem man sie teilen kann? Erfreuen uns wertvolle Schätze, wenn wir verlernt haben, ihren Wert zu schätzen?
Auch im Kontext meiner Ausbildung war die Zeit sehr interessant. Ich studiere Frühkindliche- und Elementarbildung an der PH hier in Heidelberg und lerne in diesem Studiengang viel darüber, wie wichtig Bildung schon in jungen Jahren ist. Das stimmt zweifellos. Man darf dabei nur nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren: Kinder müssen Kind sein dürfen. Kindern muss es gut gehen. Und das tut es den Kindern in unserem Hostel in Kagadi.
Robin Böhm